Straßenausbau: Saulheim führt wiederkehrende Beiträge ein
Von Steffen Nagel
vor 15 Stunden
Wird in Saulheim eine Gemeindestraße ausgebaut oder saniert, sollen künftig alle Bürger über wiederkehrende Beiträge belastet werden. Nun hat der Rat die Satzung beschlossen.
SAULHEIM - In Saulheim sollen die Bürger künftig beim Ausbau oder der Sanierung einer Gemeindestraße dem Solidarprinzip folgen und sich allesamt an den Kosten beteiligen. In seiner
Sitzung am Montag brachte der Gemeinderat mit großer Mehrheit die Satzung für sogenannte wiederkehrende Beiträge auf den Weg. Um sie rechtssicher zu machen, wird sie nun über eine
Normenkontrolle auf Herz und Nieren überprüft.
Das Konzept der wiederkehrenden Beiträge ist simpel: Wird in einer Gemeinde eine Straße ausgebaut oder saniert, zahlen alle Bürger einen Anteil – weil sie ja alle diese Straße
theoretisch benutzen könnten. Der Vorteil: Die hohe Zahl an Beitragszahlern senkt die Summe, die jeder Einzelne zu tragen hat. Der Nachteil: Der Bürger zahlt bei diesem System auch
schon mal für den Ausbau einer Straße, die er selbst nie nutzt.
Zum Vergleich: Beim System der einmaligen Beiträge zahlen immer nur die Bürger, deren Grundstücke unmittelbar an der auszubauenden Straße liegen, entsprechend hoch ist ihre
finanzielle Belastung, die mitunter bis in fünfstellige Bereiche gehen kann.
WEITERE INFOS
Beitragsfähig sind öffentliche Straßen, Wege und Plätze, Parkflächen und Grünanlagen sowie Fuß- und Radwege.
Auch die Verschonungssatzung wurde beschlossen. Sie regelt, dass Gebiete, in denen in den zurückliegenden Jahren bereits Ausbaubeiträge gezahlt wurden, für einen gewissen
Zeitraum von einer erneuten Zahlung verschont werden. In Saulheim sind das 15 Jahre.
In Saulheim soll der gesamte Ort als ein einziges Abrechnungsgebiet gelten – das heißt, hier zahlt tatsächlich jeder Bewohner für jede ausgebaute Straße im gesamten Ort. Größere
Kommunen sind oft in mehrere Einheiten unterteilt, Alzey etwa hat aktuell sieben Zonen. Nicht ganz klar ist, ob die Bahnlinie, die sich durch Saulheim zieht, den Ort in zwei Teile und
damit auch zwei Abrechnungsgebiete spaltet. Die VG Wörrstadt ist der Meinung, nein. Auch das soll mithilfe der Normenkontrolle abgesichert werden.
25 Prozent zahlt die Gemeinde Saulheim als Eigenanteil bei jedem Straßenausbau selbst. Diese Zahl legte der Rat am Montag ebenfalls mit großer Mehrheit fest. Die Höhe dieses Anteils
richtet sich zunächst nach der Menge des Durchgangsverkehrs auf den Ortsstraßen. Das Prinzip: Je höher der Durchgangsverkehr – also je höher die Zahl der ortsfremden Fahrzeuge, die
eine Straße (ab)nutzen, umso höher fällt der Gemeindeanteil beim Ausbau aus. In Saulheim sind die Hauptdurchgangsstraßen jedoch Kreis- oder Landesstraßen – und die zählen bei der
Berechnung nicht mit, da die Gemeinde kein Baulastträger ist. Demnach ist der Durchgangsverkehr auf den gemeindeeigenen Straßen eher gering und somit auch der Gemeindeanteil. Die VG
schlug 20 Prozent vor, zuzüglich eines Ermessensspielraums von fünf Prozent. Den nutzte der Gemeinderat auch aus.
Die Höhe der Beiträge für die Bürger richtet sich nach der Fläche des jeweiligen Grundstücks. Für jedes Vollgeschoss gibt es zehn Prozent Zuschlag.
Geplant ist, die wiederkehrenden Beiträge erstmals 2020 anzuwenden, sie müssen immer nur dann bezahlt werden, wenn auch tatsächlich eine Baumaßnahme stattfindet. Der Gewerbepark Teil
III, östlich der Margarete-Mitscherlich-Straße zählt dabei nicht zum Abrechnungsgebiet. Hier gelten weiterhin Einmalbeiträge für die unmittelbaren Anlieger.
Die Ortsgemeinde kann über die Steuerung ihrer Bauprojekte und der Abrechnung Einfluss darauf nehmen, wie stark die Bürger im Jahr durch Beiträge belastet werden. Ein Beispiel: Würde
die Gemeinde in einem Jahr drei 500 Meter lange Straßen ertüchtigen, im Folgejahr jedoch nur eine 50-Meter-Straße, wären die Beiträge der Bürger in den beiden Jahren sehr
unterschiedlich. Dies soll durch Planung verhindert werden.
Pro Saulheim zu „Saulheims Straßen in Schuss halten und finanzieren“ 03.05.14
„Der Deutsche Städte- und Gemeindebund fordert gemäß seiner Pressemitteilung vom 22.04.2014 ein Programm, um den Verfall der Straßen und Brücken zu stoppen. Das kommunale Straßennetz mit einer
Länge von 610.000 km (Bund 52.000 km, Länder 86.600 km) ist in einem desolaten Zustand. Eine nachhaltige Sanierung der teilweise vorhandenen Schlaglochpisten in den Städten ist aus eigener
Finanzkraft kaum noch realisierbar. Das ist nicht nur für die Bürger ein Ärgernis, sondern wird zunehmend auch zur Belastung von Wirtschaft und Umwelt. ...“
Nicht anders gilt für Gemeinde-, Kreis- und Landesstraßen in den Gemarkungen Ober- und Nieder-Saulheim.
Seit der Durchführung der Ortskanalisation vor ca. 45 Jahren und der Erschließung von Neubaugebieten wurde nur das allernotwendigste an den Gemeindestraßen und Gehwegen von der Ortsgemeinde
Saulheim instandgesetzt (Schlaglöcher geflickt). Zusätzliche Belastungen der Straßenkörper ergeben sich aus nicht homogen wiederhergestellten Straßenaufbrüchen im Zuge von Leitungsverlegungen.
Der Instandhaltungsstau führt dazu, dass bei einigen Gemeindestraßen und Gehwegen mittlerweile die Tragschicht (Unterbau) auch durch Witterungseinflüsse und Materialermüdung in Mitleidenschaft
gezogen wird.
Pro Saulheim wird deshalb auch in der nächsten Legislaturperiode im Ortsparlament und bei der Verbandsgemeindeverwaltung darauf dringen, dass es wichtig und mehr als dringlich ist,
Straßeninstandsetzung und -instandhaltung planmäßig anzupacken, um einen Totalausbau und infolgedessen eine hohe finanzielle Belastung von Anliegern und der Ortsgemeinde Saulheim zu vermeiden.
Daher gilt es umso mehr, mit der planvollen Aufnahme des Istzustandes des Straßenzustandes in einem einfachen und kostengünstigen Verfahren seitens der Verwaltung zu beginnen und die Straßen
auszuwählen, bei denen eine Instandsetzungs- oder Instandhaltungsmaßnahme im Rahmen eines Mehrjahresplans zur Vermeidung von weit aufwendigeren Totalausbaumaßnahmen unaufschiebbar ist.
Für die Sanierungsmaßnahmen gibt es innovative technische Verfahren, angefangen bei der Wiederverwendung von abgefrästen Straßenbelägen, die zur Kostenvermeidung bei der Verbesserung oder
Erneuerung zum Einsatz kommen können. Voraussetzung ist, dass die Entscheider im Ortsgemeinderat Saulheim bzw. dessen Ausschüssen sich einen Überblick über professsionelle Vorgehensweise und neue
Technologien bei der Straßenunterhaltung durch entsprechende Referenten bzw. durch evtl. Amtshilfe beim Landesbetrieb Mobilität verschaffen.
Die Finanzierung von Instandhaltungen (Erneuerung, Erweiterung, Umbau oder Verbesserung) erfolgt nach Kommunalabgabengesetz durch Ausbaubeiträge der Grundstückseigentümer und den Kostenanteil der
Ortsgemeinde Saulheim. Die Erhebung von Vorausleistungen als auch im Einzelfall die Vereinbarung von Ratenzahlungen sind gesetzlich geregelt.
Wiederkehrende Beiträge* durch alle Grundstückseigentümer an innerörtlichen Gemeinde-, Kreis- oder Landesstraßen in der Ortsgemeinde Saulheim für den Ausbau von Gemeindestraßen und Gehwegen
führen nur dann zu einer zeitlichen Lastverteilung der Anlieger der jeweiligen Straße, wenn Erhaltungsmaßnahmen in etwa gleichbleibender Höhe im Gemeindegebiet durchgeführt werden. Dies ist aber
aufgrund der zeitlich konzentrierten „Straßenüberarbeitung“ im Rahmen der Ortskanalisation um 1970 herum in Saulheim nicht der Fall. In den nächsten Jahren werden mehrere Gemeindestraßen zur
Vermeidung weiterer Schäden zu sanieren sein.
*
Wiederkehrende Beiträge bedeuten, dass die Gemeinde zunächst für 5 Jahre einen Plan aufstellt,
welche Straßen in diesem Zeitraum ausgebaut werden sollen. Hierfür werden die Kosten ermittelt und davon werden bis 35% als Gemeindeanteil abgezogen. Die verbleibenden Kosten werden dann durch 5
Jahre geteilt. Dies ergibt den jährlichen Beitrag, der von allen beitragspflichtigen Grundstückseigentümern fortwährend erhoben wird.
Pressemitteilung
19. Dezember 2012
Kommunale Spitzenverbände zum Bericht der „Daehre-Kommission“
Finanzierungslücke im Verkehrsbereich ist alarmierend –
Bund und Länder sind für gemeinsame Lösungen gefordert
(www.dstgb.de/dstgb/Home/Schwerpunkte/Verkehrspolitik/Straße und Straßenverkehrsrecht/Bericht der Daehre-Kommission bestätigt Unterfinanzierung der Straßen/5812_BV_PM_Daehre_Bericht.pdf)
1. Die Abgrenzung zwischen Erneuerung und Instandsetzung einer Straße, also zwischen beitragsfähigem Straßenausbau und beitragsfreier Straßenunterhaltung, ist grundsätzlich nach dem Ausmaß der
Arbeiten an der Verkehrsanlage vorzunehmen. Neben solchen quantitativen Aspekten der Differenzierung sind auch qualitative sowie funktionale Gesichtspunkte zu berücksichtigen, beispielsweise eine
gegenüber der Gesamtanlage eigenständige Nutzungsdauer der erneuerten Straßenbestandteile, der Ablauf dieser Zeitspanne sowie eventuell festgestellte Baumängel.
2. Ob die Kosten eines Geländers oder einer anderen Absturzsicherung Teil des beitragsfähigen Aufwands sind, richtet sich nicht nach straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften, sondern nach dem
maßgebenden Ausbaubeitragsrecht.